Komplementäre Partnerschaft - Wie Paare zusammenpassen

Zu mir kommen die unterschiedlichsten Paare in unterschiedlichsten Situationen. Paare, die schon mehr als ihr halbes Leben zusammen sind. Paare, die über Anfangsholprigkeiten stolpern. Paare, die sich neu definieren wollen. Gleich- und gemischtgeschlechtliche Paare. Paare mit hoher Energie und Dynamik und Paare, denen ihre Energie abhanden gekommen scheint. Meist kommen sie mit einem konkreten Anliegen, manchmal mit diffuser Unzufriedenheit.

Paare ergänzen sich - auch in ihren Problematiken

Eine Erkenntnis, die ich aus der Arbeit mit Paaren gewonnen habe ist, dass die Problematik nie bei nur einer/m der Partner*innen liegt. Ja, es kann sein, dass ein Thema auf einer Seite „lauter“ und offensichtlicher ist: Sie ist fremd gegangen. Er hat sie plötzlich verlassen. Sie flippt immer gleich aus. Er wendet beim Küssen den Kopf ab. Sie läuft bei Konflikten immer gleich aus dem Raum. Er will nie mit ihm schlafen. Sie lässt ihr keinen Freiraum.

Krise als Kristallisationspunkt

Es gibt fast unendlich viele Punkte, an denen sich Themen zwischen Partner*innen kristallisieren. Und mir gefällt dieses Bild der Kristallisation. Denn das Offensichtliche was entsteht, ist oft geboren aus einem Dunst, der unsichtbar ist. Diesen zu identifizieren, kann Aufgabe in den Sitzungen sein. Um was geht es hier ganz genau? Was liegt dahinter? Was genau passiert da zwischen Ihnen Beiden?

Das Ping-Pong-Spiel in der Paartherapie

An manchen Punkten im Verlauf des Therapieprozesses mag es dann manchmal so aussehen, als läge es an einer/m der Beiden. Spannenderweise zeigen sich jedoch in der Regel irgendwann Kipppunkte, an denen sichtbar wird, was die/der Andere davon hat oder dazu beiträgt. Immer handelt es sich um Dynamiken. So passiert es in den Sitzungen immer wieder, dass wir einmal intensiver auf einer Seite, dann auf der anderen Seite arbeiten. Es ist ein lebendiges Ping-Pong-Spiel.

Zum Beispiel Susanne und Nora.

Am Ende der ersten gemeinsamen Sitzung notiere ich mir: „Nora bringt ihre Bedürfnisse nicht so sehr zum Ausdruck.“ Ich spreche das in der nächsten Sitzung an.
„Nora, könnte es sein, dass es Ihnen manchmal schwer fällt zu sagen, was Sie sich wünschen?“
Nora überlegt und  bejaht zögerlich: „Ja, das kann schon sein.“
Susanne springt sehr darauf an: „Ja, Nora, du sagst oft nicht, was du möchtest.“
Susanne wirkt erleichtert, dass das Thema auch von jemandem Dritten so gesehen und ausgesprochen wird. Wir folgen der These ein Stück weiter.
„Was passiert in Ihnen, wenn Sie merken, dass Sie sich mit etwas nicht wohl fühlen?“, frage ich Nora.
Nora überlegt einen Moment, blickt suchend im Raum umher: „Ich ziehe mich eher zurück.“, sagt sie dann.
„Ah, Sie ziehen sich zurück. Das klingt für mich so, als könnte es eventuell gefährlich sein, zu sagen, dass Sie sich nicht wohl fühlen. Könnte da was dran sein?“
Nora nickt: „Ja.“
„Was könnte passieren?“, frage ich.

So ergründen wir gemeinsam Stück für Stück, was Nora daran hindert sich mit dem, wie es ihr geht und was sie braucht, zu äußern.
An so einer Stelle kann es auch Sinn machen in die frühen Erfahrungen aus der Kindheit einzutauchen, um noch besser verstehen zu können, was es im Heute so schwierig macht „einfach“ zu sagen, was sie will.

Mitgefühl mit dem inneren Kind

Menschen, denen es schwer fällt ihre Bedürfnisse zu äußern, haben in der Regel schlechte Erfahrungen damit in der Kindheit gemacht. Die Eltern haben sich abgewandt, gestraft oder mit Überforderung reagiert. Es können drakonische, aber auch minimale Signale der Eltern gewesen sein, welche die Kinder wahrgenommen, und auf Grund derer sie gelernt haben: Mach das nicht!
Wir haben also immer einen guten Grund warum wir so reagieren und handeln, wie wir es tun. Wenn es gelingt, mich an diesen Stellen besser kennenzulernen, wenn ich noch einmal mitfühlen kann mit dem Kind was ich war, mit meinen früheren Erlebnissen, dann kann ich mich auch besser verstehen und unterstützen.

Wenn du dich änderst, dann haben wir kein Problem mehr

Nach so einer Exkursion in die emotionalen Tiefen der einen Partnerin kann man den Eindruck gewinnen: Wenn Nora gelernt hat, wie Sie ihre Wünsche äußern kann, dann ist das Thema erledigt. Meist jedoch zeigt sich bei der anderen Partnerin ein komplementäres Phänomen. Im Verlauf der weiteren Sitzungen entdecken wir gemeinsam, dass Susanne schnell Verantwortung für andere übernimmt. Auch für Nora.

„Susanne, was passiert in Ihnen, wenn Nora so vor Ihnen steht und nicht mit Ihnen spricht?“
„Das merke ich ja schon vorher, dass etwas nicht stimmt. Ich bemühe mich dann ja eh schon. Meist mache ich Vorschläge. Zum Beispiel, als wir letztes Wochenende Freunde besuchen wollten. Da habe ich ja schon gemerkt, dass du von den Unternehmungen der letzten Woche erschöpft warst. Da habe ich ja schon gesagt, dass wir auch was anderes machen können. Oder du bleibst zuhause und ich fahre alleine.“

„Susanne, könnte es sein, dass Sie da in etwas reinspringen, was gar nicht ihr Job ist? Dass Sie es Nora schon von vorne herein abnehmen wollen, sich selber zu äußern und aktiv an ihrem gemeinsamen Wochenende mitzugestalten?“
„Ja!“, Susanne lacht.
Auch Nora muss schmunzeln.
„Hm. Also, so machen Sie das.“, sage ich.

„Wie geht es Ihnen dann dabei, Susanne?“
„Boah, das stresst mich. Und ich bin dann auch schon ein bisschen genervt.“
„Dieses Gefühl, was Sie da dann haben, kennen Sie das von früher?“

Affektbrücken in die Kindheit

An solchen Stellen müssen wir manchmal auch ein bisschen suchen. Es passiert, dass Klient*innen sofort und spontan „ja!“ antworten und sofort eine Kindheitsszene dazu im Kopf haben. Manchmal sagen sie aber auch erst einmal „Nein.“. Oft zeigt sich aber dann im Verlauf, wo die Parallelen liegen. Diese sogenannten Affektbrücken zeigen auf, wo wir im Heute mit einer alten Brille auf eine Szene gucken und mitunter unsere Partner*innen mit Mama oder Papa verwechseln.
Das zu erkennen bringt meist Erleichterung. Ein tiefer Ausatem oder ein Seufzen geht durch den Raum.
„Ah, so ist das. Puh. Verstehe.“

Körper, Geist und Emotion

Ich lege Wert darauf solche Erkenntnisse durch den ganzen Körper laufen und sich ganz spüren zu lassen. Wir sind nicht nur Geist. Auch Körper und Emotion. Und es ist sinnvoll, diese Erkenntnisse mit allem was wir sind, zu erfahren und zu erleben.

Susanne und Nora haben es auf wunderbare Weise geschafft, liebevoller mit sich selber und der Anderen umzugehen. Genauer zu verstehen, was sie für sich und im Miteinander brauchen.
Es war mir eine Freude die Beiden an ihrer Krise wachsen zu sehen und sie ein Stückchen ihres gemeinsamen Weges begleiten zu dürfen.

Vielen Dank an Nora und Susanne, die in Wirklichkeit natürlich anders heißen, dass ich Auszüge ihrer Sitzungen bei mir für diesen Blog benutzen darf!

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anne

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Anne Schricker | Heilpraktikerin für Psychotherapie / 040 31 81 43 23 / info@anne-schricker.de